Das Heimat- und Trachtenfest in Milz im Jahr 1909

Die Landesversammlung der Vaterländischen Frauenvereine 1909  in Römhild diente als Anlass, am 14.07.1909 in Milz ein großes Trachtenfest zu veranstalten.  Die Frauenvereine des Herzogtums Sachsen-Meiningen standen unter der Schirmherrschaft der Erbherzogin Charlotte von Sachsen-Meiningen. Deshalb wurden natürlich auch die Erbherzogin gemeinsam mit ihrem Gatten, Erbherzog Bernhard, zur Veranstaltung in Römhild erwartet.

Im Anschluss an die Vesammlung in Römhild, wurde zu einer Wanderung nach Milz aufgerufen um dem dortigen Heimat- und Trachtenfest beizuwohnen.

Zweifellos war dieses Heimat- und Trachtenfest für das ganze Grabfeld und darüber hinaus bedeutend und entfaltet seine Wirkungen bis in die Gegenwart. Noch heute entsprechen die zur jährlichen Trachtenkirmes hervorgeholten Tracht,  in mehreren Stücken der Milzer Tracht, wie sie beim Heimat- und Trachtenfest 1909 getragen wurden.

Das Fest vor nunmehr 115 Jahren war Grundlage etlicher wissenschaftlicher Abhandlungen und Forschungsarbeiten.

Da kein noch heute Lebender persönlich bei diesem Ereignis zugegen war, möchten wir an dieser Stelle einen Bericht aus der Hildburghäuser Dorfzeitung (Nr.165 vom Samstag 17.7.1909) wiedergegeben, welcher das damalige Geschehen sehr gut beschreibt:

Römhild, 14. Juli. Heute hat hier die diesjährige   H a u p t v e r s a m m l u n g   d e r   F r a u e n v e r e i n e    des Meininger Landes stattgefunden. Schon vom frühen Morgen an ergoß sich ein förmlicher Menschenstrom nach Römhild. Nur ein verhältnismäßig geringer Teil der erschienenen Leute (etwa 700 Personen) konnten Zutritt zu der Kirche, in der die fragliche Versammlung stattfand, erhalten. Kurz nach 11 Uhr vormittags trafen der Erbprinz und die Erbprinzessin ein, in deren Begleitungsich die Frau Gräfin Waldersee befand.

Vor der Kirche wurden die Herrschaften namens der Stadt kurz von Herrn Ersten Bürgermeister Griebel willkommen geheißen. Namens der Jugend überrreichte die achtjährige Marie Bischoff der Erbprinzessin mit beherzten Worten einen Blumenstrauß, wovon die hohe Frau recht angenehm berührt war. In der Kirche hieß Herr Superintendent Meisner die hohen Herrschaften willkommen. Nun setzte ein von Herrn Kantor Otto arrangierter gemischter Chor ein.

Ihre Königliche Hoheit eröffnete sodann dien Versammlung. Die hohe Frau hon in der Eröffnungsrede die rege Tätigkeit der Frauenvereine gerade im Kreis Hildburghausenrühmend hervor und spornte zur Nacheiferung an. Es folgte hierauf der Bericht des Schriftführeres, Exzellenz von Viebahn. Die vorgeschlagene Änderung der Satzung – der Landesverband der Vaterländischen Frauenvereine soll die Rechte einer juristischen Person erlangen – wurde gutgeheißen. Der seitherige Vorstand wurde wieder gewählt. Sodann trug Herr Regierungsrat Baumbach die Jahresrechnung vor, die in Einnahme mit 49 000 M und in Ausgabe mit rund 46 000 M abschließt. Frau Superintendent Meisner sprach dann über landwirtschaftliche Haushaltungsschulen. Was diese ausführte, konnten aber nur die in allernächster Nähe sitzenden Personen verstehen. Herr Direktor Sieler-Römhild verbreitete sich über die Denkmäler der Stadtkirche. Das Hauptinteresse erweckte aber der sodann von Frau Regierungsrat Kirchner über die Förderung und Erhaltung der Volkstrachten durch die ländlichen Frauenvereine gehaltene Vortrag. Im Gegensatz zu den anderen Vortragenden sprach diese dann vollständig frei und wurde wohl auch von jedermann verstanden. Frau Kirchner führte die Vorteile der ländlichen Tracht gegenüber der städtischen einzeln auf; sie gab beachtenswerte Winke, wie namentlich die Mitglieder der ländlichen Frauenvereine dadurch, daß sie selbst ländliche Tracht tragen, dafür wirken können, daß auch die jüngere Generation Tracht anlegt. Es würde zu weit führen, hier noch näher auf den durchaus gelungenen und sehr beifällig aufgenommen Vortrag einzugehen. Exzellenz von Viebahn sprach den Vortragenden den Dank der Versammlung aus. Anträge aus der Versammlung wurden nicht gestellt. Mit einem Schlußgesang endigte die Hauptversammlung. Die höchsten Herrschaften besichtigten dann mit großem Interesse die wertvollen Kunstschätze der Kirche. –

Wenn schon am Vormittag die Leute in hellen Haufen herbeiströmten, so war dies am Nachmittag in dem nahen  M i l z ,  wo unter dem Protektorat der Erbprinzessin ein  T r a c h t e n f e s t  stattfand, erst recht der Fall. Die Straße zwischen Römhild und Milz war eine lebende Masse und in dem Dorf Milz standen die Menschen schon lange vor der Ankunft der Herrschaften auf allen Plätzen und Gassen Kopf an Kopf, so daß an ein Durchkommen gar nicht zu denken war. Alle Fenster und sogar die Dächerwaren mit Menschen besetzt. Nur mit größter Mühe gelang es, für die Geschirre der Herrschaften Platz zu schaffen. Der Ortsgeistliche, Herr Pfarrer Hönn und dessen Frau, – die übrigens auch, wie eine ganze Anzahl Pfarrfrauen und Schwestern, in Tracht erschienen war – begrüßten die erbprinzlichen Herrschaften. Das Fest wurde durch einen allerliebsten Kinderreigen des Milzer Kindergatens eröffnet. Die Kleinen mit ihren Rechen und Sensen waren nett anzusehen. Es folgte die Spinnstube (Bedheim). Unter den Burschen befanden sich verschiedene „Nichtbauern“ und das hätte vermieden werden sollen. Der Lichtherr dieser Spinnstube hat seine Rolle gut durchgeführt. Es folgte die Bescihtigung des Heimatmuseums. In diesem waren insbesondere alte Möbel, alte Wäsche, altes Zinn und auch ein alter Webstuhl aus dem Jahr 1704. Der letztere wurde in Tätigkeit gesetzt. In der Halle des Langkönig-Schloßschen Hauses beschäftigten sich die Obendorfer mit Flachsbereitung. Hierauf ließen die hohen Herrschaften den von Eicha gestellten Hochzeitszug, dem gleich hintendrein der Kindtaufszug (Gleichamberg) folgte, an sich vorüberziehen. Von dem Hochzeitszug erweckte namentlich der Führer (Johann Seidler) durch seine Würde das Interesse. In der Kirche kamen einige alte Neujahrsgesänge zum Vortrag. Vor dem Eingang zum Kirchgarten stehend, ließen dann die Herrschhaften den Festzug vorbeiziehen. Am besten von allen Trachten dürfte die von Wolfmannshausen angesprochen haben. Bei der Milzer Tracht wurde die Reichhaltigkeit der Schürzen bewundert.  Auf dem Festplatz herrschte reges Leben. Für die hohen Herrschaften war ein zelt errichtet. Vor diesem Zelt gingen die einzelnen Veranstaltungen vor sich: Schnitterreigen Häselrieth, auch darunter befanden sich „Nichtbauern“, alte Tänze von Milz, Plantanz mit einer etwas zu schwulstigen und ermüdenden Kirmespredigt von Eishausen, Volkslieder von Behrungen, Zweitritt von Haina, Volkstanz mit Gesang von Mendhausen, vier Jahreszeiten von Westhausen, Dreher und Siebensprung Eishausen und der Ölpumpertanz von Bedheim. Damit war das außerordentlich reichaltige Programm erschöpft.

Die Hohen Herrschaften sprachen dem Veranstalter, Herrn Pfarrer Hönn, für die durchaus gelungene Sache ihre Anerkennung aus und fuhren nach Römhild zurück.

Von den Besuchern des Festes dürften aber viele nicht auf ihre Rechnung gekommen sein, denn nur die wenigsten werden etwas haben sehen können, was mit Rücksicht auf die weite Reise der die viele Besucher hatten, recht zu bedauern war. Es waren Leute von Dresden, Leipzig, FRankfurt, Würzburg, Darmstadt usw. gekommen. Es waren eben zu viele Menschen. Die in Milz anwesenden Personen wurden auf 7 – 8000 geschätzt.

Am Abend fand in Römhild im Schießhaussaal ein von der Stadt zu Ehren der Höchsten Herrschaften veranstaltetes Festessen, mit, wie wir hörten, etwa 35 bis 40 Gedecken, statt. Erster Bürgermeister Griebel brachte bei diesem Festessen den Toast auf die Höchsten Herrschaften aus, wofür der Erbprinz in längerer Rede dankte und auf Römhilds Wohl und das des ganzen Grabfelds trank. Seine Hoheit sprach sich über das in Milz und Römhild Gesehene und Erlebte außerordentlcih befriedigt aus. Nach dem Essen wurden die Hohen Herrschaften noch durch einige Gesänge erfreut. Seine Hoheit sprach dem Dirigenten, Herrn Kantor Otto, seine Anerkennung aus. Unter den Klängen des Liedes „Guten Abend, gute Nacht“ fuhren dann die Höchsten Herrschaften nach herzlicher Verabschiedung ab.

‚S grü Band (A wohr Geschichtle)

Bei’n Trochtefest macht alles mit

On kömmt en alter Trocht.

Doch weil’s die net genung mehr gitt,

wurd a neu Zeug gemocht.

Dröm kom noch Römeld a e Fra

on lässt sich allerhand,

on onner annern mucht se a

zu’n Rock a Schtück grü Band.

Ner net ze teuer düft’s halt sei

(Süst wosch Band gut on schwer),

dr Emil schleppt sei Kästlich bei

on weist sei Bandzeug her.

Die Fra, die guckt’s gena sich o,

hot noch’n Preis gefrägt.

Druckst lang, ment nocher zu dann Mo:

„Ich ho mersch überlegt.

Wos sölltern euch noch länger plog

on zerrt die Kästlich vür,

ich gleb fost für dann enen Tog

dönt’s a e grü Papier.“

 

 

Auch noch zwei Jahr danach, war das Trachtenfest in Milz Thema in verschiedenen Publikationen. So erschien im „Sohnrey’s Dorf-Kalender für 1911“ (herausgegeben vom Deutschen Verein für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege) folgender Artikel:

Das Trachtenfest in Milz bei Römhild.

von Pfarrer Sell in Stepfershausen.

Es war am 14. Juli 1909 die reine Völkerwanderung nach dem altehrwürdigen Dorfe Milz im schönen Frankenland. ueber 8000 Personen waren zusammengeströmt, nicht nur aus den Dörfern der Umgegend, nein, auch ferne Großstädte, wie Frankfurt, Würzburg, Leipzig, Dresden und Berlin hatten Besucher gesandt.

Das ganze Dorf war herrlich geschmückt, mehrere Häuser hatten die farbenpracht aus der Zeit ihrer Erbauung durch neuen Anstrich wiedergewonnen. Und auf den Straßen und Plätzenbewegten sich Greise und Kindlein. ehrwürdige Mütter, jugendliche Frauen, frische Burschen und liebliche Mädchen in der kleidsamen Frankentracht, doch so, daß jedes Dorf in seiner eigenartigen Kleidung sich von anderen unterschied.

Man denke sich nur den Kinderreigen der Milzer Kinder, die fröhliche Spinnstube der Bedheimer Dorfschönen, die Herrichtungdes Flachses, von der Breche bis zzur Hechel unter den frisch geschwungenen Händen der lieblichen Obendorferinnen. Wahrhaft ergötzt wurden Herz und Auge durch den kostbar ausgestatteten Hochzeitszug der Eichaer mit seinem imposanten Führer voran. Dann schaute man einen lieblichenTaufzug, wie er regelrecht in sinnigem von allen Beteiligten nach väterlicher Art zur Kirche schreitet. In der Kirche erquickten gemütvolle Neujahrsgesänge das fromme Herz. Auch mehr weltliche Bräuche standen bei den Darstellungen Platz, und natürlich hat sich der deutsche Tanz in urwüchsiger Kraft und Fröhlichkeit in anmutigen und launigen Arten beim Trachtenfest sein Recht bewahrt.

Nun solle aber das Trachtenfest zu Milz nicht nur um der Trachten willen gefeiert werden. Es war ein ganz kluger Gedanke von Pfarrer Hönn in Milz, dem Veranstalter des festes, außer den Trachten auch die Sitten und Gebräuche jener gegend, soweit sie sich noch erhalten haben, zur Darstellung zu bringen.

Es ist von vielen Seiten als etwas Fehlerhaftes betont worden, wenn derlei Trachtenfeste in einer Stadt abgehalten wurden und die Stadtleute mit manchmal nicht einwandfreien Gedanken die altmodischen Trachten beurteilten.

Das Milzer Trachtenfest auf dem Dorfe, im Dorf selbst, trug den Charakter des echten Volkstümlichen, Heimatfrohen und Bodenständigen an sich.

Erhöht wurde die Freude des Festes durch die Anwesenheit der Erbprinzlichen Herrschaften aus Meiningen, welche die lebhafte Freude bekundeten und trotz des Drängens und Treibens der Tausende standhaft aushielten. Ihre Königliche Hoheit, die Frau Erbprinzessin Charlotte hat in Verbindung mit diesem Trachtenfest vormittags zuvor in Römhild gelegentlich der Hauptversammlung des Vaterländischen Frauenvereins durch Frau Geheim regierungsrat Kircher in Meiningen einen wertvollen Vortrag darüber halten lassen, wie die Vaterländischen Frauenvereine die Trachtenfrage fördern können. Wie sehr das herzogliche Haus für die Bewahrung der volkstümlichen Sitten und Gebräuche eintritt, geht daraus hervor, daß der Herzog von Meiningen für Milzer Trachten drei hervorragende Preise stiftete.

Möge man auch anderwärts durch ebenso geschickte Vorführung der kleidsamen Trachten Heimatsinn und Heimatpflege stärken und bewahren.

Spinnstube der Bedheimer Dorfschönen

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